Seit mehr als 10 Jahren hab ich vor, mal dieses Festival zu besuchen. Aber irgendetwas kam immer dazwischen: unpassend es Line-Up, Band absagen, Corona. Aber diesmal war es mir egal. Ob mit anderen oder allein, da geht es jetzt mal hin, zum 20jährigen Rock in Rio Lisboa. Das Line-Up ist nicht Oberklasse aber solide. The Scorpions haben mich live noch nie überzeugt, Evanescence wecken Erwartungen, Ed Sheeran treibt jetzt nicht meine Erwartungen aber manchmal sind es ja auch die unbekannteren Acts, die so eine Veranstaltung zum Erlebnis machen. Richtige Erwartungen habe ich an Xutos & Pontapés, die berühmteste portugiesische Rockband, die sich hier seit 1978 eine Fanbasis aufgebaut haben, wie das bei uns die Toten Hosen schafften.
Unter diesen Vorzeichen geht es los, in die City oft Rock am Tejoufer.
Vor Ort bin ich zunächst überrascht: direkt hinter dem Eingang empfangen mich Jongleure, Clowns und Stelzenläufer. Neben diversen Werbeständen der Sponsoren befinden sich auf dem Gelände fünf Bühnen. Neben vier Programmbühnen noch eine der „School of Rock“, einer Art Nachwuchsakademie. Hier bleibe ich gleich mal hängen und lausche zwei Schüler-Cover-Bands die richtig guten Sound produzieren. Die Idee finde ich klasse. Starker Empfang!
Als erster Programm-Act starten Peste & Sida (übersetzt soviel wie „Pest & AIDS“), eine portugiesische Punkband, 1986 gegründet, 1996 aufgelöst und, wie ich nun finde, 2003 glücklicherweise wiedergegründet. Unter dem Motto „Rock gegen Faschismus“ bieten die Typen Punkrock vom Feinsten. So geht es also auch, denke ich beim Vergleich mit einer deutschen Ex-Punk-Band. Schade nur, dass ich mit meinen 20 gelernten portugiesischen Höflichkeitsvokabeln von den Texten nichts verstehe. Gelungener Opener, finde ich.
Direkt im Anschluss geht es an die Hauptbühne. Ich dachte zunächst, ich wäre am falschen Platz, als geschätzt 40 vornehm gedresste Menschen auf der Bühne Platz nahmen. Xutos & Pontapés haben sich Verstärkung durch das Portugiesische Philharmonieorchester mitgebracht. Die Kombination ist ja spätestens seit Metallicas S&M-Album nicht mehr neu, führt aber auch hier zu einer beeindruckenden Symbiose der Klänge. Xutos haben mit ihrer Musik bei mir die ohnehin vorhandenen Erwartungen noch deutlich übergriffen. Das war ganz weit vorn! Richtig guter Rock vor einem Mega-Publikum, dass bei jedem Song heftigst mitgeht. Ich kann mir vorstellen auch mal einen Portugaltermin an deren Tourplan zu orientieren.
An den Auftritt von Extreme hatte ich keine großen Erwartungen. Aber die Truppe aus Boston hat stark abgeliefert. Das Gitarrist Nuno Bettencourt geborener Portugiese ist, hat beim Publikum spürbar für besondere Zuneigung gesorgt. Was mich etwas störte war, dass er selbst seine Ansagen sichtbar vom Teleprompter ablas. Das tat der Bühnenleistung aber letztlich keinen Abbruch. Die Herren sind halt schon ewig im Business und präsentieren entsprechend professionell Hard-Stuff vom Feinsten. Starke Show. Kleiner Tipp: sind gerade auf Europa-Tour – lohnt sich!




















Ebenso stark lieferte Evanescece ab. Die Kombi einer starken Mezzosopranistinnenstimme mit hartem Rock finde ich schon beeindruckend. Sängerin Amy Linn Lee ließ keinen Zweifel an ihrem Können aufkommen. Mit „Going under“, „My Immortal“ oder „Bring me to Life“ waren auf der 17er Setlist einige Klassiker vertreten. Evanescence war ein Grund, warum ich mir dieses Festival auf meinen Reiseplan gesetzt habe. Richtige Entscheidung!
Nach einer Jubiläumslightshow zu 20jährigen Rock in Rio Lisboa nebst Feuerwerk kam es zum Niedersachsentreffen. Die Scorpions und ich, das ist übrigens eine spezielle Geschichte. Ich hab die Band vier oder fünfmal gesehen und nie waren sie wirklich gut. Also neuer Versuch, 22 Uhr Hauptbühne. Ich fang mal mit dem positiven an: druckvoller Sound, das hab ich schon schlechter erlebt. Das zieht wirklich! Bester Mann auf dem Platz der Neu-Hannoveraner und Ex-Motörhead-Drummer Mikkey Dee. Lemmy hat ihn als „Best Drummer of the World“ bezeichnet und er hat viel Richtiges gesagt in seinem Leben! Aber auch Schenker, Jabs und Macivoda liefern richtig gut ab. Was also die Instrumentalabteilung angeht, passte das alles besser als ich es bisher erlebt hatte.
Klaus Meine und ich, das wird aber in diesem Leben aber sicher nichts mehr. Ich weiß nicht ob der Mann jemals in seiner Karriere sicher Töne getroffen hat, ich hab es allerdings noch nicht erlebt. Scorpions sind sicher ne super Studioband, live konnten sie mich noch nie überzeugen. Und bei allem Respekt, warum man sich, wenn man sich kaum noch bewegen kann, so etwas noch antut, verstehe ich nicht. Ich glaube die offizielle Abschieds-Tour der Scorpions war 2010. Man hätte es vielleicht dabei belassen sollen. Dennoch, dafür war es heute gut. Von den erlebten Konzerten wahrscheinlich Alles in Allem das beste.
Fazit Tag 1: Es hat sich gelohnt. Tolle Orga, vertretbare Preise auf dem Festivalgelände ausreichend kostenlose Wasserspender und ein Superprogramm und ein Ticketpreis für den man sonst kaum mehr ein Konzert angeboten bekommt. Ich freu mich, dass ich das gemacht habe und bin gespannt auf Tag 2. Nach einem Festival-Tag von 13 Uhr bis Mitternacht geht es nun ins Hotel.